Die Anfänge

Der Gründer: Ehrendomkapitular Dechant Ferdinand Kühlmann (1842 – 1929)

Um es vorweg zu nehmen: der Gründungstag des Heimatvereins Verl ist nicht nachweisbar. Es gibt kein Protokoll oder anderes Schriftstück, das etwas über den Geburtstag des Vereins aussagt. Der 20. November 1920 ist nur mündlich als Gründungstag des Vereins überliefert. Erst viele Jahre später ist dieser Tag wohl nach der mündlichen Überlieferung schriftlich festgelegt  worden.

Heimatarbeit im Wandel der Zeiten

Im Jahre 1995 konnte der Heimatverein Verl auf eine 75jährige Geschichte zurückblicken. Seit so langer Zeit gibt es in Verl also schon Personen, die sich in organisierter Form um die Belange der Heimatarbeit kümmern. Geschah dies zunächst im Verein für Ortsgeschichte und Heimatkunde, der am 20. 11. 1920 ins Leben gerufen wurde, so setzt heute der Heimatverein Verl diese Arbeit fort.

Wir begreifen heute die Heimat nicht nur als die erlebte Umwelt, sondern auch als gelebter, gestalteter und von uns zu gestaltender Lebensraum, für den wir Verantwortung tragen. Das Bewahren und das Gestalten von Heimat stellt sich somit der Heimatarbeit in gleicher Weise als Aufgabe. Insofern leiten sich aus einer traditionsbewussten Bestandsaufnahme der 75jährigen Vereinsgeschichte auch Erkenntnisse für die gegenwärtige und zukünftige Heimatarbeit ab. Der Spruch, der über dem Eingang unseres Heimathauses eingeschnitzt wurde, hat auch für den Verein seine Gültigkeit:

Aus den Wurzeln der Vergangenheit leben Gegenwart und Zukunft

Was und wie wir unsere Umgebung wahrnehmen, hängt von vielfältigen Bedingungen ab. Eine besondere Rolle spielen dabei auch die politischen und gesellschaftlichen Verhältnisse. Sie können die Aktivitäten auf dem Gebiete der Heimatpflege beeinflussen oder sogar herausfordern. Viele konkrete Aufgabenstellungen sind regelrecht Reaktionen auf entsprechende Zeitströmungen gewesen. So ist auch die Heimatarbeit im Verler Land in den vergangenen 75 Jahren eingebettet gewesen in den größeren Zusammenhang der deutschen Geschichte. Diese Tatsache soll jedoch nicht dazu führen, daß wir die Bestandsaufnahme der Vereinstätigkeit unkritisch vornehmen.

Die Gründungszeit der Heimatpflege beginnt kurz nach der Jahrhundertwende. Zunächst erheben Persönlichkeiten aus Wissenschaft und Kultur Anklage gegen die ungebremste Industrialisierung, den Verfall überkommener Werte und die Zerstörung der Natur. Um diese negativen Entwicklungen abzuwenden, entsteht die Heimatbewegung. Erst etwas später, kurz nach dem Ersten Weltkrieg, finden sich auch im Verler Land Persönlichkeiten, die sich dieser Aufgabe stellen und den „Verein für Ortsgeschichte und Heimatkunde“ ins Leben rufen. Sie fühlen sich der Tradition verpflichtet und versuchen, den Verfall von überkommenen Werten in der Heimat zu verhindern.

Bereits zwei Jahre nach der Vereinsgründung erscheint eine erste schriftliche Abhandlung über die Geschichte des Verler Landes. Es ist die „Heimatgeschichte für die Schulen des Amtes Verl“, verfasst von Ernst Meurin. Meurin war Soldat im Ersten Weltkrieg und so ist seine historische Sichtweise immer noch geprägt von den vaterländischen Überzeugungen des wilhelminischen Deutschlands. An vielen Stellen in der Schrift begegnen wir solchen patriotischen Ausführungen, gelegentlich haben sie auch martialischen Charakter.

Die Schrift hatte für den Aufbau von Heimatbewusstsein bei der jungen Generation eine große Bedeutung, sie ließ sich aber auch leicht politisch missbrauchen.

Die Arbeit im „Verein für Ortsgeschichte und Heimatkunde“ versiegte gegen Ende der 20er Jahre zusehends, die wirtschaftliche Not in den Jahren der Weimarer Republik könnte hierfür ein Grund gewesen sein. Möglicherweise spielten aber auch Fragen über den Standort der Heimatarbeit und die damit verbundenen Zielsetzungen eine Rolle.

Mit der Wiederbelebung des Vereinslebens im Jahre 1934 wurden die Standortfragen und Zielsetzungen der Heimatarbeit im Sinne der nationalsozialistischen Ideologie vorgegeben. Somit war der politische Missbrauch des Begriffs „Heimat“ programmiert. Hier lehrt die Geschichte, wie leicht übersteigerte Heimatgefühle und ungenaue Zielsetzungen von Heimatarbeit durch politische Ideologen missbraucht werden können. Es ist deshalb auch nicht verwunderlich, dass das Heimatbuch aus dem Jahre 1936 dem Geist der Nationalsozialisten entspricht. Und dennoch ist dieses Buch für den heimatgeschichtlichen Leser auch heute noch von Bedeutung. In seinen Ausführungen ist es differenzierter und ausführlicher als die Heimatkunde von Ernst Meurin. Neben der Verbrämung der Heimatgeschichte im Sinne der NS-Ideologie fällt dem kritischen Leser jedoch auch auf, dass historische Zusammenhänge falsch dargelegt und unliebsame Fakten einfach verschwiegen werden. Das ist der Fall bei Dokumenten, in denen es um die Stellung der jüdischen Mitbürger geht. So werden Angehörige der Familie Hope nicht genannt, wenn es um besondere vaterländische und örtliche Verdienste geht, obwohl diese in den Archivunterlagen aufgeführt sind. Die Vereinstätigkeit im Dritten Reich ist nicht besonders umfassend, sie kommt mit zunehmender Kriegszeit zum Erliegen.

In der Nachkriegszeit waren zunächst für eine fruchtbare Heimatarbeit keine günstigen Voraussetzungen gegeben, denn der Heimatbegriff war in Misskredit geraten. Auch hatten andere Fragen, besonders die Behebung der materiellen Probleme, Vorrang. Eine besondere Aufgabenstellung war es auch für den Verler Heimatverein, die Flüchtlinge und Vertriebenen in ihrer neuen Heimat zu integrieren. Vielen erschienen die ersten Bemühungen, ein neues Heimatbewusstsein in der Nachkriegszeit zu entwickeln, wie eine Rückkehr in überwundene Verhältnisse. Hier zeigt sich, dass Diktaturen, Kriege und wirtschaftliche Depressionen keinen guten Nährboden für Heimatarbeit abgeben.

Unter den gegebenen Umständen der Nachkriegszeit hatte es auch der Heimatverein Verl sehr schwer, eine überzeugende Neuorientierung zu finden und diese in der Öffentlichkeit zu vermitteln. Und so gehen mit dem wirtschaftlichen Aufschwung der späten fünfziger und sechziger Jahre, der Zeit des Wirtschaftswunders, auch im Verler Land viele heimatkundliche Bezüge unwiederbringlich verloren.

Gegen diese rasante Entwicklung, die verbunden war mit einer Geringschätzung von gewachsenen Strukturen, regten sich Anfang der siebziger Jahre in den Reihen von heimatbewussten Bürgerinnen und Bürgern erste Widerstände. In erster Linie waren es wohl städtebauliche Vorhaben und beabsichtigte Flurbereinigungsverfahren, die zu neuen Initiativen in der Heimatarbeit führten. Dabei ging es zunächst um die Verhinderung von Fehlentwicklungen, aber schon bald entwickelten sich gezielte Aktivitäten im Sinne der Gestaltung und Pflege der heimatlichen Umgebung.

Die Ziele der Heimatarbeit wurden erstmals im Jahre 1979 in einer Satzung festgeschrieben.